Hagedorn / Khanfir
Raouf Khanfir und Wolfgang Hagedorn üben in Wir essen alles in zehn beeindruckenden Bild-Text-Collagen Essenskritik. Das ist keinesfalls zu verwechseln mit einer Kritik einzelner Speisen oder gastronomischer Betriebe – nein, Khanfir und Hagedorn setzen tiefer an, beim Essen selbst.
Wolfgang Hagedorn, Foto: Martin Langhorst
Wolfgang Hagedorn
… hat als Musiker bereits einige Kerben im Colt – und – er produzierte die vorliegenden Collagen auf Basis der Texte von Raouf Khanfir. Neben Alben und Remixes unter seinem Namen zählen zu seinen musikalischen Stationen: Computerjockeys, Fiji Condo Chief und Splitterpop. Mit Raouf verbindet ihn nicht nur Köln und das Interesse am Essen, sondern vor allem die Musik. Zusammen spielten und spielen sie in den Bandprojekten Electric Beatniks, Hifi Killers und der Noisepop-Band Klauen. Ob sie gute Esser sind, ist nicht bekannt.
Raouf Khanfir, Foto: Martin Langhorst
Raouf Khanfir
… hat nichts gegen Worte, im Gegenteil. Aber manchmal weiß er auch nicht, also wirklich.
In dieser Publikation finden Sie seine Texte zum Essen. Zuvor hat er die Romane Wittgenstein und Abgeknickt veröffentlicht. Seine Kurzgeschichte Halifax wurde von Boaz Kaizman unter dem Titel Der Gegner verfilmt. Er war in zahlreichen Bandprojekten tätig, meist mit Wolfgang Hagedorn zusammen. Raouf Khanfir lebt in Köln.
Wir essen alles (2019)
Die Collagen zeigen uns Knoblauchvögel, Rinderpralinen, Bananenfrösche, Schweinefische und andere Crossover-Kreaturen, deren Existenz sich der Kombination von Essbarem – Gemüse, Obst, Tierisches – und Teilen des menschlichen Körpers verdankt. Damit sind wir beim Thema: Der Mensch isst (alles), muss essen und tut das meist mit wenig Aufmerksamkeit, aber großem ideologischen Ballast vom Richtigen und vom Falschen im und ums Essen. Das liegt den Autoren bzw. Collagisten schwer im Magen. So reflektieren die den Collagen beiseitegestellten Texte Fundamentales über das Essen: Das Wesen des Nicht-Essens, Hunger, kluge Tiere und Gewalt, Mangel und gieriges Über-Essen, Misstrauen gegenüber zubereiteten Speisen, Glück und Spaziergänge, Vergänglichkeit und Barbarei, Wahn und Appetit.
Die Texte zeichnen sich wie die Collagen durch die assoziative Verknüpfung essensbezogener Bilder mit dem quälenden Wahnsinn gegenwärtigen urbanen Lebens aus – phantastische Merkwürdigkeiten, grelle Bilder und schräge Wendungen inbegriffen. Guter Geschmack ist dabei nicht die leitende Idee – eher eine Kritik am (oralen) Konsum, auch das Rohmaterial der Collagen scheint aus der Welt der Werbung und der Produktfotografie filetiert zu sein. Lässt man sich die Texte zusammen mit den Bildern auf der Zunge zergehen, entstehen Fragen, die uns auf unser (Alles-)Essen verweisen und damit das reflexive Besteck in die Hand geben, um kurz von unseren Tellern aufzublicken und uns zu fragen, was genau wir da alles essen, wie und warum wir das tun. Prost Mahlzeit!
Dr. Guido Lauen